Lauftreff - Abteilung

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27.05.2018

Knastmarathon Darmstadt – hier wird nicht gesessen


Dieses Jahr ist unsere Jasmin Lehmacher bereits Marathonrundenlauferprobt. 10 Runden beim Marathon in Rodgau, 211 in Pfohren, 2 in Stuttgart-Bad Cannstatt. Am 27. Mai sollten nun 24 weitere Runden hinzukommen. Immer entlang der Gefängnismauer, allerdings von innen! Denn der Knastmarathon findet im Inneren der JVA Darmstadt statt, inkl. Kontakt zu den Insassen.

Hier Jasmins Knastbericht:

Die erste Gruppe derer, die freiwillig in den Knast wollen, findet sich um 7:30 Uhr am Eingang ein. Es geht durch den Metalldetektor, der Ausweis wird abgenommen, das Gepäck fährt durch das Röntgengerät. In der Ausschreibung steht, dass man nur das Nötigste mitbringen soll. Handy und Fotoapparat dürfen nicht mit rein.

Danach geht’s zum Drogencheck. Wir sitzen in einem Raum im Kreis. Die Taschen müssen geöffnet werden. Dann kommt der Drogenhund, der alles abschnüffelt. Da der Hund nichts findet legt der Hundeführer an einem freien Platz einen „Drogenfund“ aus, damit der Hund seinen Erfolg hat. Zur Belohnung bekommt er sein Spielzeug, mit dem er wie verrückt durch den Raum springt.

Alle Türen, durch die wir bis zu diesem Raum mussten, wurden vor uns geöffnet und hinter uns geschlossen. Nach der Drogenkontrolle öffnen und schließen sich zwei weitere Türen vor und hinter uns. Und dann stehen wir im Hof. Es ist gleich ein paar Grad wärmer als auf der anderen Seite der Mauer.

In dem Hof angekommen, können wir uns „frei“ bewegen; sprich bis zum nächsten Zaun/der nächsten Mauer. Zeitmessfirma Mika Timing hat schon die Zeitnahme aufgebaut, Musik läuft. Insassen bauen noch die Verpflegungsstände auf. Der erste, vorsichtige Kontakt mit den Insassen ist ein „Guten Morgen“, als wir uns nähern.

Ursprünglich fürchtete ich, dass es in diesem Hof bedrückend, beengt sein könnte. Aber das ist es nicht. Links sind verschiedene Häuser mit Zellentrakts, rechts sind Turnhalle, Sportplatz und verschiedene Werkstätten. Das ist auch dann auch schon die Laufstrecke. Eine Runde hat etwas über 1,7 km. Man läuft erst Richtung Zellentrakt wo die „schweren Jungs“ sitzen. Die haben keinen Zugang zu der Veranstaltung. Zum Start um 10 Uhr haben sie jedoch zwei Stunden Hofgang und stehen hinterm Zaun. Von dem Trakt aus geht’s zurück; vorbei an Verpflegung, weiteren Zellentrakts, um den Sportplatz, um die Werkstattgebäude und zurück. So geht’s 24 Runden hin und her. Die Strecke ist durchgehend flach. Die Zäune und Mauern habe ich kaum wahrgenommen. Vielleicht blendet man es auch aus, weil man weiß: in ein paar Stunden gehe ich wieder raus.

Die Strecke an sich ist easy, aber es ist heiß. Und in dem Hof noch heißer als draußen. Alles Asphalt, kein Schatten, kein Luftzug. Entlang der Strecke sind drei Duschen aufgebaut und zusätzlich Wasserbottiche für Schwämme. Viele tun sich schwer mit dem Wetter. Bei mir persönlich läuft es gut und gleichmäßig. Zwischen meiner schnellsten und langsamsten Runde liegen 81 Sekunden.

Die Verpflegung ist gut und für alle – Läufer wie Angehörige (jeder Läufer darf eine Person mitbringen) kostenlos. Brötchen, Kuchen, Kaffee, div. Getränke. Alles umsonst. Und sämtliche Helfer sind Insassen. JVA-Beamte sind an verschiedenen Stellen positioniert und haben die Lage im Blick.

Inzwischen hat sich meine ursprüngliche Aufregung gelegt und man ist vereinzelt mit Insassen ins Gespräch gekommen. Von der JVA Darmstadt laufen acht Insassen mit, von einer weiteren JVA kommt noch ein Läufer. So teilen sich die Läufer wie folgt auf: 9 Insassen, 19 Frauen, 89 Männer.

Und die Veranstaltung ist durchaus international. Es sind Teilnehmer aus Schweden, Dänemark und England am Start. Weiterhin – laut Sprecher – erstmals je ein Barfußläufer und ein Läufer im Schottenrock. Anmerkung meinerseits: und natürlich auch erstmals: ein Zebra in Form von mir J

Nach Mittag ein kurzer „Schreckmoment“ für mich. Auf einmal stehen gut 100 Insassen an der Strecke; die haben nach Mittag Hofgang. Was ich gedacht habe schreibe ich jetzt besser nicht…. zu meiner größten Verwunderung, letztlich aber auch Beruhigung, standen sie an der Strecke vor ihrem Zellentrakt und blieben dort. Sie machten keine anzüglichen Bemerkungen und haben die Läufer komplett in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich haben sie gedacht: den armen Irren ist eh nicht mehr zu helfen; bei solchen Wetterbedingungen, freiwillig im Knast, im Kreis laufen.

Nach dem Lauf das Übliche. Duschen, bei Kaffee und Kuchen zusammen sitzen. Siegerehrung und auschecken. Bis ich wieder draußen bin vergeht eine halbe Stunde, da auch die „Rückreise“ nur etappenweise erfolgt; was hier solange dauert ist die Rückgabe der Ausweise.

Ich bin wirklich positiv überrascht von der Veranstaltung und werde gerne mal wieder als laufender Tagesgast in den Knast gehen.




mit freundlicher Unterstützung von

swt