Lauftreff - Abteilung

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25.06.2015

Zugspitz Ultra Trail 2015: Mit höggdscher Disziplin ab in die Schuldenfalle!


Ein schlichter Marathon mit "nur" 42,195 km ist unseren Extremläufern mittlerweile zu popelig, jetzt müssen die "Ultras" her. Noch eine offene Rechnung vom letzten Jahr hatten Annette Reim und Hans Berroth beim diesjährigen Zugspitz Ultratrail zu begleichen, gestartet wurde am Samstag, 20. Juni, früh morgens um 7:15 in Grainau. Annette berichtet:

Der Wetterbericht sah Schauriges voraus, so dass wir zunächst mal ein Unterkunftsproblem hatten. Denn ursprünglich wollten wir – wie eigentlich immer bei solchen Läufen – ähem... zelten. Doch wir hatten Glück, denn in einer kleinen Pension ist kurzfristig jemand abgesprungen, so dass wir dort Unterschlupf finden konnten.

Wir hatten Schiss vor dem ZUT. Sehr großen Schiss sogar. Bei der Erledigung der üblichen Registrierungsformalitäten begrüßte uns Plan-B-Chefin Uta Albrecht ganz herzlich und meinte, wir seien doch alte Hasen. Tat natürlich gut, aber ohne (Stirn-)Lampenfieber geht’s eben nicht.

Auf dem Weg zum Start machten wir noch einen kleinen Abstecher, um die Ersatzkleiderbeutel (auf gut neudeutsch: drop bags) abzugeben. Einen Satz kurze (schließlich ist man ja Optimist!) und lange Laufklamotten, Laufschuhe sowie eine Regenhose können bei diesem zu erwartenden Schietwetter sicher von Nutzen sein. Letzteres durfte also eher für die Psyche in den Beutel, denn womöglich stört die Regenhose beim Laufen? Wobei wir im Nachhinein betrachtet mit Neo, Schwimmflossen und Schnorchel ebenfalls sehr gut bedient gewesen wären.

Bevor wir auf die Strecke durften, gabs nochmals ein letztes Streckenbriefing. Fast schon winterliche Kälte, reichlich Regen und etwas Schnee bestätigten alle Wettervorhersagen; die Originalstrecke konnte jedoch wohl beibehalten werden. Sehr schön, denn wie sehr hatten wir uns auf das Gebirge gefreut und außerdem hatte man uns schon am Vorabend den Tipp gegeben, einfach mehr Tempo zu machen. Dann würde uns schon nicht kalt werden. O.k., also alles „gaaanz easy“ und „völ-lig unproblemaddisch“, wie Hans oft zu sagen pflegt.

Der Startschuss fiel. Wir kamen gut weg und fanden schnell zu einem angenehmen Tempo. Nach einem ganz kurzen Boxenstop an der Abzweigung zur Eibsee -Alm ging's zügig der deutsch-österreichischen Grenze bei Ehrwald entgegen. Wir bissen uns gerade die Zähne beim Steigen aus, als uns ein Lauffreund darüber informierte, dass nun doch auf eine Alternativstrecke ausgewichen werden sollte. Zwar schade, aber richtig so. Denn wir waren ja jetzt schon durchnässt und die kalte Luft zog so richtig die Kraft aus den Beinen. Wir kramten unsere Handschuhe heraus, doch auch diese blieben nicht lange trocken und hingen schwer an den Händen.   Doch man gewöhnte sich schnell daran und ohne wäre dennoch undenkbar gewesen.

An der Pestkapelle zog auch wie die Pest, so dass zum Schlemmen keine Zeit blieb. Klar, wir sind ja auch nicht zum Spaß da! ;-) Hier ging der erste alternative Streckenteil ab direkt zur Hämmermoosalm. Auch hier war's nicht gerade heimelig und ich hatte Wade. Na suuuper! Vielleicht läuft's sich ja noch raus. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Ein Läufer vor uns schimpfte über die Streckenbeschaffenheit und das nasskalte Wetter. „Ooooohhhhhhmmmm! Ruhig, Brauner! Alles wird gut!“, beschwor ich ihn. Bei der nächsten Möglichkeit sahen wir zu, dass wir an ihm vorbeikamen, denn dieses negative Galama braucht kein Mensch. Nun hatten wir mit einem besonderen Aufstieg das Vergnügen. Absolut steil und mit einem vertikalen Wurzelkonglomerat durchzogen. Nicht gerade kompatibel für ein Hascherl von < 1,60 m, dafür aber höggschd amüsant. Manchmal musste ich nämlich sogar stehen bleiben und überlegen, wie man im Einzelfall da am besten hochkommt. Zum Glück hatte ich meine Hände frei und konnte auf allen Vieren hoch krabbeln oder einen überstehenden Zweig als Handlauf zweckentfremden.

Inzwischen hatten wir das Scharnitzjoch bezwungen. Hier oben lag etwas Schnee. Die Trails waren etwas schlammig, aber frei und mit guten Trailschlappen machbar. Beim Downhill musste ich mich zwar einmal lang machen, bin aber ganz weich auf meinem Bobbes gelandet. Ich versuchte, ein wadenschonendes Tempo anzuschlagen und vor lauter Wadenfixiertheit verlor ich Vollkonifere meinen Kreislauf aus den Augen, der dann auch prompt in den Keller rutschte und somit mein Runterkacheln vereitelte. Denn Runterkacheln bedingt Konzentration und einen klaren Kopf. Ich fühlte mich wie auf links gedreht und konnte mich selbst nicht mehr leiden, denn so etwas darf mir eigentlich nicht mehr passieren. Natürlich wurden wir gnadenlos nach hinten durchgereicht. ***schmoll*** Hans, für den der ZUT2015 sein erster Hunderter hätte sein sollen, war mega gut drauf. Ich wollte ihn ziehen lassen, doch er bestand auf ein gemeinsames Finish. Naja, die Verpflegung (Nudelsuppe!) am Hubertushof wird’s schon richten.

In meiner Lauf“karriere“ hatte ich sonst immer die Philosophie „never touch a running system“. Denn mit Hirschtalgsalbe, Laufsocken und dem späteren Schweiß, respektive der Laufschuhe lässt sich nämlich ein blasensicheres Feuchtbiotop generieren, welches man keinesfalls stören sollte. Außerdem kostet diese Umzieherei jede Menge Zeit. Im Hinblick auf den Dauerregen schien dieses Mal jedoch auch für Hans eine Ausnahme sinnvoll. Ja, es tat richtig gut, wieder trockene Klamotten auf dem Leib zu haben. Doch auch die trockenen Füße währten nur kurz. Denn kaum waren wir wieder los gezogen, wurde der Regen wieder stärker. Inzwischen war ich wieder die ganz die Alte und konnte sogar Hans über das öde Flachstück nach Mittenwald ziehen. So paradox es klingt, aber inzwischen ist es die einförmige Dauerbelastung in der Ebene, die einem so zu schaffen macht.

Nach sage und schreibe 80 km konnte endlich das Wadenproblem heraus gelaufen werden. Allmählich wurde es dämmerig und auch die Waldautobahn forderte mental. Jeder gelaufene Meter ist ein guter Meter, so nun unser Mantra. Wir bogen auf den Trail ab, der uns zur Talstation Längenfelder führen sollte. Ab hier kam man nun um eine Stirnlampe nicht mehr herum. Zügigen Schrittes stiegen wir empor, doch bald wurde es steiler, so dass man etwas Gas heraus nehmen musste. Inzwischen war es zappenduster und ab und an musste man stehen bleiben, um sich zu vergewissern, ob man noch richtig war. Manchmal bestätigten uns die Lichter weiter oben in unserem Tun, manchmal schienen wir allein auf dem Trail zu sein. Wobei Trail untertrieben ist. Knöcheltief standen wir im Wasser und in bester Kneipp-Manier nahmen wir Kurs auf den nächsten Verpflegungspunkt. Einerseits musste ich schmunzeln, andererseits wäre jeder von uns am liebsten zwischendurch mal stehen geblieben, um kurz durchzuatmen. Doch das verbat sich von selbst, weil man sonst verdammt schnell ausgekühlt wäre. Das Waten durchs Wasser dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Irgendwann vernahmen wir Motorengeräusche, die Nahrungsquelle konnte also nicht mehr weit sein. Auch hier zog es wie Hechtsuppe, zumal jetzt in der Nacht. Nicht umsonst wurde die Strecke auch an dieser Stelle gekappt, d.h. anstatt zur Altspitzbahn wurden wir nun zum finalen Download geleitet, wo ich vor zwei Jahren beim Supertrail so richtig gememmt hatte. Doch inzwischen hatte ich viel dazugelernt und mit einer guten Stirnlampe bewaffnet ließ es sich so gut runterkacheln. Geil! Jetzt ging's an die letzten Kilometer. Einmal hatte mich Mutter Natur nochmals zu Boden gezogen, aber nix ist passiert. Wir konnten noch einige Läufer einsammeln, bevor wir mit dem letzten Asphaltstück in Grainau wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Jetzt hieß es nur noch: mit Stil ins Ziel! Was für ein geiler Lauf!

Nur: was machen wir nun mit der offenen Rechnung? Immerhin waren es ja nur 90,9 km (ca. 4.500 Höhenmeter) und keine 100 km! Oder kann man vielleicht über einen Schuldenschnitt verhandeln? ;-))

Ergebnisse:

Annette Reim: 17:04:58 h, 12. Pl., Kategorie Master Women

Hans Berroth : 17:04:58 h, 48. Pl., Kategorie Senior Master Men

 




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